Über den Film
Die Unabhängigkeit Tibets ist völkerrechtlich bis heute umstritten. Seit 1959 besteht eine Tibetische Exilregierung, seit 1960 ein Exilparlament. Die Exilregierung ist international von keinem Staat anerkannt, geniesst aber weltweite Sympathien und finanzielle Unterstützung. Der 14. Dalai Lama zog sich 2011 von allen politischen Ämtern zurück. Premierminister und gleichzeitig Staatsoberhaupt ist seither der Jurist Lobsang Sangay.
Die tibetische Exilregierung und der Dalai Lama als spirituelles Oberhaupt treten in der Frage der Unabhängigkeit Tibets für einen politischen Mittelweg ein. Man fordert nicht die politische Unabhängigkeit von China, möchte aber einen autonomen Status, der die religiöse und kulturelle Selbstbestimmung garantiert. Diese ist heute nicht gewährleistet. Gleichzeitig fordert die Exilregierung eine Ausweitung des Autonomen Gebiets Tibet auf Regionen im Osten der historischen Stammlande (Richtung chinesischer Tiefebene).
Aus chinesischer Sicht befreite die Volksarmee bei ihrem Einmarsch die tibetische Bevölkerung aus der feudalen Herrschaft der Lamas. Während Jahrhunderten sei Tibet eine Herren-Knecht-Gesellschaft unter dem Joch der Klöster gewesen. Die tibetische Bevölkerung habe die „Befreiung“ begrüsst. Die folgende Modernisierung des „Autonomen Gebiet Tibet (AGT)“ sei allein China zu verdanken.
China sieht den Dalai Lama und „seine Clique“ im Zusammenhang mit Tibet als Hauptfeinde. Die Selbstverbrennungen der letzten Jahre seien von der „Dalai-Clique“ angestiftet worden und unvereinbar mit der buddhistischen Lehre.
Politische Analysten im Westen sehen die chinesische Position wesentlich bestimmt von Grossmachtinteressen. Das tibetische Hochplateau ist das wichtigste Wasserschloss Asiens, der Boden weist eine Anzahl wertvollster Rohstoffe auf (u.a. Chrom, Kupfer, Magnesit, Bor, Blei, Gold, Erdöl, Eisen, Lithium, Kaliumchlorid, Aluminium, Zink). Die Entwicklung des Abbaus ist ein Schwerpunkt des gegenwärtigen Fünfjahrplans der Regierung in Peking.
Im Juli 2013 unterzeichnen in Peking Bundesrat Johann Schneider-Ammann und Vertreter Chinas ein wegweisendes Freihandelsabkommen. Damit wird die Schweiz noch vor der EU das erste Land Europas, das ein solches Abkommen abschliesst. Profitieren soll vor allem die Schweizer Exportwirtschaft, da Importzölle in China reduziert werden und teilweise ganz wegfallen. Nach der Ratifizierung durch das Parlament tritt das Abkommen im Frühling 2014 in Kraft.
Kritiker werfen Bundesrat und Parlament vor, unter anderem den Aspekt der Menschenrechte nicht genügend eingebracht zu haben. Das Wort “Menschenrecht” kommt im über 1000-seitigen Vertragswerk nicht vor. Der Bundesrat verweist in diesem Zusammenhang auf den regelmässigen Menschenrechtsdialog mit China.
http://www.nzz.ch/aktuell/schweiz/bahn-frei-fuer-freihandel-mit-china-1.18267300
http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/Freihandel-mit-China-kann-starten/story/11252613
War die Region auf dem schwer zugänglichen Hochplateau im Himalaya schon seit frühester Zeit ein selbständiger Kulturraum, der im Verlauf der Jahrhunderte aber immer wieder unter die Herrschaft fremder Völker geriet? Der Mongolen, Mandschu oder Chinesen?
Oder „gehörte“ Tibet „schon immer“ zu China?
Die Blickwinkel sind je nach politischem Standpunkt verschieden.
- Im 7. Jahrhundert entsteht auf dem himalayischen Hochplateau das Königreich Tibet. Es ist in dieser Zeit eines der mächtigen Reiche Asiens.
- Im 13. Jahrhundert machen sich die Mongolen sowohl Tibet wie China untertan. Der mongolische Herrscher Kublai Khan setzt Mitglieder des buddhistischen Sakya Ordens als Vizekönige Tibets ein.
- Im Jahr 1642 setzen die Mongolen in Tibet den Führer des Gelugpa Ordens, den 5. Dalai Lama, als politisches Oberhaupt ein.
- 1720 marschieren die Mandschu in Lhasa ein. Sie hatten 1644 Peking zur Hauptstadt der von ihnen dominierten Qing-Dynastie gemacht.
- 1727 schicken die Mandschu kaiserliche Gesandte von Peking an den Hof des Dalai Lama. Die Qing nehmen damit Einfluss auf die Regierung. Tibet steht nun unter Suzeränität (Oberherrschaft der militärischen und aussenpolitischen Angelegenheiten) Chinas.
- Im 19. Jahrhundert leben die Tibeter in einem feudalen System unter den Lamas. Die grossen Klöster besitzen den Hauptteil des Landes, bestimmen das Bildungssystem und ziehen Abgaben ein. Der Einfluss Pekings ist minimal.
- 1903 invadieren die Briten Tibet und besetzen Lhasa. Der 13. Dalai Lama flieht in die Mongolei.
- 1907 schliessen England, Russland und China ein Abkommen. Dieses bestätigt die Suzeränität der Qing-Dynastie über Tibet.
- 1910 schickt Peking eine militärische Expedition nach Tibet. Der 13. Dalai Lama flieht nach Indien.
- 1911 wird der letzte Mandschu-Kaiser aus der Qing-Dynastie gestürzt („Chinesische Revolution“). Die meisten chinesischen Truppen verlassen Tibet.
- 1912 kehrt der 13. Dalai Lama nach Lhasa zurück
- 1913 werden die letzten chinesischen Truppen aus Tibet vertrieben. Der 13. Dalai Lama ruft die Unabhängigkeit Tibets aus. Es entsteht ein unabhängiger Staat mit eigener Regierung, Armee und Währung.
- 1949 übernehmen in China die Kommunisten die Macht.
- 1950 marschiert die chinesische Armee in Osttibet ein. Der 14. (heutige) Dalai Lama übernimmt im Alter von fünfzehn die Regierung Tibets.
- 1951 unterzeichnen Repräsentanten der tibetischen Regierung das sog. 17- Punkte-Abkommen in Peking. Ob sie die Vollmacht dazu besassen, bleibt bis heute umstritten. Das Abkommen legt Tibet als Teil Chinas fest. Die regionale Autonomie und Religionsfreiheit bleibt aber garantiert. Das Abkommen wird am 24. Oktober von der tibetischen Regierung bestätigt. Daraufhin marschiert die chinesische Volksbefreiungsarmee in Lhasa ein.
- 1954 reist der 14. Dalai Lama nach Peking, um mit Mao Zedong zu verhandeln.
- 1955 schlagen die Chinesen einen tibetischen Aufstand blutig nieder. Die CIA bildet tibetische Guerilla-Kämpfer aus und versorgt sie mit Waffen.
- 1956 flüchtet der 14. Dalai Lama nach Nordindien. Massgebende Teile des historischen Tibets werden als Autonomes Gebiet Tibet in die Volksrepublik China eingegliedert.
- 1959 bricht der Tibeteraufstand aus. In Lhasa finden heftige Kämpfe statt. Der Volksaufstand wird von den Chinesen niedergeschlagen
- 1966-1976: Die Roten Garden zerstören mehrere tausend Klöster und Kulturdenkmäler.
- Seit 1987 brechen in Tibet immer wieder Unruhen aus. Einer der grössten Aufstände findet 2008 statt, kurz vor den Olympischen Spiele in Peking.
Facts zu den Selbstverbrennungen in Tibet ab 2009
Am 27. Februar 2009 übergiesst sich der 27-jährige tibetische Mönch Tapey in der Stadt Aba (chinesisch: Ngaba, Autonome Tibetische Präfektur Ngaba/Qiang, Provinz Sichuan) mit Benzin und zündet sich an. Der auch unter dem Namen Lobsang Tashi bekannte Mönch steht für die erste von über 130 Selbstverbrennungen, die darauf stattfinden.
Link: http://news.bbc.co.uk/2/hi/7916544.stm
Bis ende November 2014 verbrennen sich insgesamt 133 Menschen:
- 107 der 133 Tibeter und Tibeterinnen sterben
- 24 der Tibeter, die sich selber anzünden, sind achtzehn Jahre alt oder jünger
- 44 der 133 stammen aus der Autonomen Tibetischen Präfektur Ngaba/Qiang
- 13 der 133 sind Mönche des Kirti Klosters in der Stadt Ngaba (tibetisch: Aba)
- 11 der 133 sind ehemalige Mönche des Kirti Klosters in Ngaba
- 2 der 133 sind Nonnen aus dem Mame Dechen Chokorling Frauenkloster in Ngaba
Gründe für die Selbstverbrennungen
Der letzte grosse Aufstand gegen die chinesische Autorität findet im Frühling 2008 in Lhasa statt, kurz vor dem Beginn der Olympischen Sommerspiele in Peking. Die chinesischen Sicherheitskräfte schlagen den Aufstand blutig nieder.
Gemäss Tsering Woeser, chinesisch-tibetische Schriftstellerin und regimekritische Essayistin, sind die Selbstverbrennungen eine Folge dieses letzten grossen tibetischen Protests. Die in Peking wohnhafte Bloggerin liefert allerdings mehrere Gründe. Das macht auch Wang Lixiong, zusammen mit Woeser einer der bekanntesten Analysten der chinesischen Minderheitenpolitik. Wang Lixiong hat die letzten Worte von 97 der Verbrannten untersucht. Er unterscheidet vier Hauptgruppen von Äusserungen:
- Leiden an der untragbaren Situation
- Das Ausdrücken von Mut und Verantwortung für die verletzte Würde der tibetischen Nation
- Das Ausdrücken von Protest, verbunden mit der Forderung nach der tibetischen Unabhängigkeit
- Gebete und Hingabe für den Dalai Lama
14 der Menschen, die sich selber verbrennen, beschreiben ihre Tat gemäss Wang Lixiong als gezielte Aktion. Sie erwarten, dass ihr persönliches Opfer beitrage zur angestrebten Unabhängigkeit. Wang Lixiong folgert: “Die Selbstverbrennung ist für einen Einzelnen die extremste Form des Freiheitskampfes, in der er Zuflucht finden kann.”
Probleme mit den Hochland-Nomaden
Seit 2008 hat sich der Wunsch nach Freiheit und Unabhängigkeit rasch über den ganzen tibetischen Grossraum verbreitet, besonders aber auf die tibetischen Kulturregionen Kham und Amdo im Osten Tibets. Kham und Amdo liegen weitgehend in den heutigen chinesischen Provinzen Qinghai, Gansu und Sichuan. In diesen rauhen einsamen Gebieten siedeln wähend Jahrhunderten tibetische Hochlandnomaden. Sie ziehen mit ihren Tieren von Weide zu Weide.
Seit ein paar Jahrzehnten fallen die Nomaden aufgrund ihrer Lebensweise oft durch das Netz der staatlichen Kontrolle und entziehen sich der von China postulierten “Weiterentwicklung”. Die chinesischen Behörden planen deshalb, die Nomaden bis 2015 vollständig zwangsanzusiedeln. Dafür ziehen sie am Rand von Städten unzählige Betonbaracken hoch. Die Unzufriedenheit der Menschen mit der verordneten neuen Lebensform führt im Umfeld der in Qinghai, Gansu und Sichuan liegenden Klöster, allesamt akribisch überwacht, zu weiteren Selbstverbrennungen.
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